Einrichten in Corona-Zeiten – alles beim Alten oder alles neu?
Mit allen gesellschaftlichen Veränderungen und Einschränkungen hat sich auch das Einrichten in Corona-Zeiten verändert. Deutschland hat in den letzten 75 Jahren eine Periode relativer politischer Ruhe und wirtschaftlicher Prosperität erlebt. Wir sind es gewohnt, uns frei zu bewegen, finanzielle Sicherheit aufbauen zu können und am öffentlichen Leben teilhaben zu dürfen. Dann kam Corona. Die Maßnahmen, das Virus einzudämmen, verändern unseren Alltag. Wie wir uns geben, welche Wege wir gehen oder wo wir uns aufhalten – all das bestimmt, wie wir wohnen wollen. Erst die Zukunft wird zeigen, ob es so etwas die den Corona-Stil gegeben haben wird. Dennoch wird schon jetzt deutlich, dass Einrichtungstrends bestimmte Stile in den Vordergrund rücken, während andere verblassen.
Was wir uns wünschen und brauchen drückt sich im Einrichtungsstil aus
Der Einschnitt war für viele jüngere Bürger die erste Erfahrung mit einer Gesellschaft im Krisenmodus. Der Privilegiencharakter selbstverständlich geglaubter Freiheiten wurde bewusst. Eine allumfassende Atmosphäre der Sorge und Unsicherheit breitete sich aus. Wie ein unsichtbares Damoklesschwert hing sie über unseren Köpfen. Dort, wo die Sorge nicht ausgehalten werden konnte, reagierten die Menschen mit aktionistischer Wut.
Einrichtungsstile, ähnlich der Kunst, sind meist Abbildung gesellschaftlicher Prozesse. In ihnen steckt immer zweierlei. Zum einen ein symbolischer Ausdruck dessen was sich verändert hat, zum anderen, was verwehrt bleibt und deshalb zum Gegenstand einer Sehnsucht wird.
Veränderter Stellenwert der Wohnung
Die Corona-Zeit hat dich und uns alle zurück ins Private gedrängt. Home Office ersetzt den Büroalltag und Videochats das Kaffeekränzchen. Spaziergänge sind keine Gruppenveranstaltungen, Geburtstagsparties werden im Familienkreis begangen. Corona bedeutet wahrscheinlich auch für dich vor allem weniger Kontakte und mehr Zeit zu Hause. Der Fokus liegt in mehrerlei Bedeutung verstärkt im Innen. Da wir viel Zeit in unseren eigenen vier Wänden verbringen, nehmen wie sie bewusster wahr. Da wir uns weniger mit Freunden und Kollegen treffen und austauschen, stehen wir weniger im Kontakt zu Welt. Das hat zur Folge, dass wir uns zunehmend mit uns selbst konfrontiert sehen.
Stilbewusstsein beim Einrichten in Corona-Zeiten
Wie diese Umstände das Einrichten in Corona-Zeiten beeinflusst, lässt sich schon jetzt erahnen. Zum einen lässt sich ein Zuwachs an Aufmerksamkeit und Interesse Inneneinrichtungen betreffend feststellen. Das ist durchaus nachzuvollziehen, knüpfen wir doch unsere Interessen an das an, was sich uns als wichtig präsentiert. Das Zuhause ist zwangsläufig zu einem wichtigeren Ort geworden. Das bedingt zunächst ein größeres allgemeines Stilbewusstsein. Wohnungen werden weniger wahllos eingerichtet. Details werden wichtiger und eine grundsätzliche Orientierung an Stilen steigt.
Zu welchen Stilen sie uns führt
In welche spezielle Stilrichtung sich Inneneinrichtungen bewegen, ist eine andere Frage. Aber auch hier deutet sich ein Szenario an. Hierbei ist das Inhaltliche des Stils entscheidend. Weniger direkter Kontakt zur Außenwelt bedeutet auch, sich den Blicken und Wertungen des Außen zu entziehen. Nicht nur, dass du dich weniger im öffentlichen Raum mit Leuten triffst, auch die Häufigkeit mit der du Besuch empfängst nimmt ab. Die Außendarstellung verliert an Wert. Wenig funktionelle Stile, die sich vor allem durch Extravaganz oder ästhetische Geschliffenheit definierten geraten in den Hintergrund. Solche, die sich an Gemütlichkeit, Hygge und Geborgenheit orientieren, erfahren einen Aufschwung.
Veränderte Ästhetik beim Einrichten
Begründen lässt sich das mitunter durch den sorgenvollen Charakter der Corona-Zeit. Aus der kollektiven Verunsicherung wächst der Wunsch nach Beständigkeit und Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt die Wiederentdeckung des „Cocooning“, das unsere Wohnungen zu behaglichen Nestern macht, weißt auf eine Orientierung zum Wohlbefinden hin. Die kühle, Eindruck schindende Eleganz von „Managerwohnungen“ muss sich in der Corona-Zeit hintenanstellen. Warme Farbtöne dominieren die Welt der Inneneinrichtung wie selten zuvor. Die Bedeutung von Weiß und Schwarz nimmt ab. Ob das Einrichten in Corona-Zeiten eine eigenständige Stilrichtung hervorbringen wird, bleibt abzuwarten.