Heizen mit Wasserstoff – Wie realistisch ist es?
Ist Wasserstoff die Lösung unserer Energieprobleme? Vor allem in seiner frühlingshaften Form, als „grüner Wasserstoff“ macht er die Runde. Als Energielieferant für Stahlwerke und für Lokomotiven ist er ebenso im Gespräch wie für Flugzeuge und Schiffe. Auch für die Zukunft eines einigermaßen grünen Heizens lässt Wasserstoff hoffen. Allerdings müssen wir dafür noch einige Hürden überwinden. Wir erklären, wie sich Wasserstoff als Gasersatz denken lässt.
2 Atome, die die Welt verändern könnten
Faszinierend ist das schon: Unsere Erde ist zum überwiegenden Teil mit Wasser bedeckt und da gibt es die Möglichkeit, aus Wasser Energie zu gewinnen, indem man es einfach in seine Bestandteile zerlegt, nämlich in Wasserstoff (H²) und Sauerstoff (O). Und wenn man, vereinfacht gesagt, die beiden wieder zusammenbringt, wird viel Energie frei. Alles, was man dafür braucht, ist genügend Wasser – und eben Energie. In die Produktion von 1 kg Wasserstoff muss man erst mal ca. 50 kwh Strom reinstecken. „Grün“ wird der Wasserstoff, wenn der Strom aus nicht-fossiler Produktion ist. Und die Bundesregierung hat festgelegt, dass dafür auch kein Trinkwasser aus Gegenden mit Wasserknappheit entnommen werden darf. Also eigentlich ist es ein Verfahren, mit dem man in Regionen mit viel Potenzial für umweltfreundliche Energie speichern kann, um sie dann andernorts und zu einem anderen Zeitpunkt wieder herauszuholen.
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Die Location spielt eine Rolle
Am besten produziert man also den Wasserstoff in Gegenden, wo es viel Sonne oder Wind gibt. Der Strom, der sich damit gewinnen lässt, ermöglicht die Elektrolyse, in der mittels der elektrischen Energie reines Wasser in seine Bestandteile zerlegt wird. Die arabischen Staaten rüsten sich gerade dafür. Sie haben mehr als genug Sonne. Aber sie haben kein Wasser und müssen erst Meerwasser entsalzen. Argentinien bzw. die Andenstaaten haben viel Wind, teils auch Sonne. Aber z. B. auch Schottland oder Norwegen, Island und Dänemark liegen in windreicheren Regionen der Erde als wir. Und sie haben auch viel Wasser und sind dünner besiedelt. Natürlich können wir Wasserstoff auch in Deutschland gewinnen, aber bei Weitem nicht in dem Ausmaß, in dem wir ihn benötigen.
Heizen mit Wasserstoff: Noch zu hohe Verlustleistung
Ist der Wasserstoff produziert, tauchen die nächsten Probleme auf: Reiner Wasserstoff ist ein Gas, das unter großem Druck oder tiefgekühlt gespeichert werden muss. Dementsprechend schwierig sind Transport und Lagerung. Viel leichter geht es, wenn man den Wasserstoff chemisch an Stickstoff (N) bindet in Form von Ammoniak (NH³). Auch bestimmte Öle eignen sich als Speichermedium für Wasserstoff. Sowohl bei der Produktion als auch bei Transport bzw. chemischer Umwandlung geht jedoch mindestens ein Drittel der Energie verloren. Das heißt, man muss mehr Energie reinstecken als schließlich rauskommt. Aber ein kluger Mensch soll mal gesagt haben: Die Sonne schickt keine Rechnung.
LNG-Terminals für Wasserstoff?
Jedenfalls ist es möglich, Wasserstoff auf Schiffen zu transportieren und schließlich auch in Pipelines und Gasleitungen einzuspeisen. Das ist immer noch viel weniger aufwendig als für den Solarstrom oder Windstrom Leitungen aus entlegenen Regionen der Erde bis zu uns zu bauen. Und natürlich würde auf dem Weg durch diese Leitungen ebenfalls viel Energie verloren gehen. Die in letzter Zeit in Windeseile aufgebauten Terminals für LNG-Gas sind schon so eingerichtet, dass sie später auch Wasserstoff aufnehmen und in Pipelines leiten können.
So könnte Wasserstoff im Mainstream ankommen
Und an dem Punkt wird es für uns Wohnende interessant. Ca. 20 Millionen Haushalte in Deutschland haben einen Gasanschluss. Und die Heizungshersteller sind durchaus schon dabei, Gasthermen und Gasbrennwertheizungen wasserstofftauglich zu machen, erst einmal für eine Beimischung von beispielsweise 20 bis 30 % Wasserstoff zum Erdgas. Später soll es auch reine Wasserstoffheizungen geben. In der reinen Wasserstoffheizung wird dann nichts mehr verbrannt, sondern der Wasserstoff wird in einer sogenannten Brennstoffzelle in einer chemischen Reaktion in Elektronen und Protonen aufgetrennt. Dabei entsteht nicht nur Wärme, sondern auch noch Strom. Abgase bleiben aus. Diese Geräte gibt es sogar schon, nur steckt die Produktion von grünem Wasserstoff in so großem Maßstab noch relativ in den Anfängen. Äußerlich wäre diese Heizung unserer Gastherme zum Verwechseln ähnlich. Aber was drinsteckt, ist eine echte Revolution. Selbst massentaugliches Heizen mit Wasserstoff ist keine Utopie mehr.